Weitwinkel statt Weichzeichner. Wandel in der Fotografie?

Lesezeit cirka 15 Minuten


Inhaltsverzeichnis

  1. Vom 85mm zum 24mm: eine persönliche Entwicklung

  2. Der Blickwinkel macht den Unterschied

  3. Nähe schafft Emotion

  4. Klassische Porträtbrennweiten: 50mm & 85mm in der Geschichte

  5. Wandel der Bildästhetik: Street Photography als Einfluss

  6. Nicht mehr nur ein Trend: Elopement Wedding Photography

  7. Weitwinkel & Social Media: Eine neue Bildsprache

  8. Fazit: Der neue Standard

  9. Ein Blick nach vorn: Erste Schritte mit 14mm


Lange Zeit war in meinem fotografischen Umfeld klar: Wer Porträts macht, greift zum 50mm oder 85mm. Diese Brennweiten galten, und gelten vielerorts noch, als „die Porträtbrennweiten“. Auch ich habe jahrelang fast ausschließlich damit gearbeitet. Der Bildlook: klassisch, schmeichelnd, mit weichem Bokeh und viel Abstand zum Motiv. Doch in den letzten Jahren hat sich meine Bildsprache stark verändert, und mit ihr auch meine Objektivwahl.

Ich arbeite heute fast ausschließlich mit 24mm und 35mm Festbrennweiten, vor allem mit dem Sony 24mm f1.4 GM, dem Sony 35mm f1.4 GM und für unterwegs auch sehr gern mit dem kompakten Sony 35mm f2.8 Zeiss. Warum ich das tue? Weil ich näher ran will. Weil ich Nähe spüren will. Weil ich echte Momente zeigen will – und weil ich finde, dass diese Brennweiten genau das möglich machen.

Das Sony 24f1.4 GM war in vielerlei Richtung Wegweisend. So kompakt und leicht mit wunderbar weichem Bokeh, und dabei schon bei f1.4 rasiermesserscharf bis in die Ecken. Das gab es in dieser Kombination bisher nicht. Mittlerweile hat Sigma nachgezogen und ein ähnlich gutes Objektiv zu einem günstigeren Preis auf den Markt gebracht. Allerdings ist es etwas schwerer und größer.


Der Blickwinkel macht den Unterschied

Der vielleicht offensichtlichste Unterschied liegt im Bildausschnitt: Mit 24mm oder 35mm bekomme ich mehr Kontext ins Bild. Das Umfeld der porträtierten Person wird zum Teil der Geschichte. Die Umgebung rahmt nicht nur das Gesicht ein, sie erzählt mit. Das ist besonders wertvoll bei Reportagen, Hochzeiten oder dokumentarischen Projekten, bei denen es um mehr geht als nur um ein schönes Lächeln und perfekte Proportionen.

35mm f2.8

24mm f2.8

Vor allem das 35mm hat sich für mich als wahres Arbeitstier etabliert. Es ist nah genug für intime Momente, aber weit genug, um Raum zu zeigen. Und genau da liegt für mich der Reiz: Der Betrachter hat das Gefühl, wirklich dabei zu sein. Die Bilder wirken unmittelbarer, authentischer, manchmal sogar roher – im besten Sinne.

35mm f1.4

35mm f2


Nähe schafft Emotion

Ein weiterer großer Vorteil der kurzen Brennweiten ist die physische Nähe, die sie beim Fotografieren erfordern. Ich kann nicht „aus der Ferne“ mit einem 85mm auf einen Moment warten. Ich muss dabei sein. Ich bin mittendrin – und diese Nähe spüren auch die Menschen vor meiner Kamera. Das verändert die Dynamik des Shootings: Aus einem distanzierten Porträt wird ein echtes Miteinander.

Das bedeutet natürlich auch, dass ich bewusster mit Verzerrungen umgehen muss – besonders beim 24mm. Aber genau das gefällt mir: Ich arbeite aktiv mit der Perspektive, mit Linien und Flächen, mit Nähe und Raum. Die Bilder bekommen dadurch eine visuelle Spannung, die ich bei klassischen Porträts oft vermisse.

35mm f2.8

35mm f2

35mm f

24mm f1.4

35mm f2.8

35mm f2

24mm f1.4

24mm f1.4


Ein Blick zurück – und ein Wandel in der Gegenwart

Historisch gesehen dominierten in der Porträtfotografie lange Zeit die klassischen Brennweiten 50mm und 85mm. Die Tendenz hin zu weitwinkligeren Brennweiten in der Porträtfotografie ist ein verbreitetes Phänomen, vor allem in den letzten 10–15 Jahren. Besonders in der dokumentarischen Hochzeitsfotografie, der Street- und Editorialfotografie kann man eine bewusste Abkehr von den klassischen „Schönzeichnern“ wie 50mm und 85mm hin zu Brennweiten, die mehr Nähe, mehr Kontext und mehr Unmittelbarkeit ermöglichen beobachten.

Moderne und Kompakte Vollformatkameras hat jeder Kamerahersteller im Programm. Die für mich schönste und unauffälligste ist für mich die Sony Rx1r Serie. Mit ihrem fest verbauten 35mmF2 Objektiv und dem extrem guten 42MP Sensor gelingen fantastische Aufnahmen. Dabei ist die Kamera geradezu winzig, und stellt in sachen Größe und Gewicht Rekorde auf. Leider wurde der Verkauf der Premiumkamera mittlerweile eingestellt, auf einschlägigen Gebrauchtbörsen werden aber immernoch Preise von mehr als 2500€ verlangt. Ein Nachfolger soll wohl irgendwann 2025, 2026 kommen oder aber nie … denn:

Die A7c Reihe von Sony ist ähnlich kompakt wie die legendäre RX1r, besitzt ebenfalls einen großen Vollformat-Sensor (je nach Modell bis zu 24, 33 oder 61 Megapixel) bietet jedoch die möglichkeit des wechselns der Objektive. Der bessere Autofokus und moderne funktionen wie KI-Objekterkennung erleichtern die Arbeit mit der Kamera und ermöglichen es dem Fotografen sich voll und ganz auf das Motiv und die Bildgestaltung zu konzentrieren.

Warum dieser Wandel?

  1. Ästhetischer Zeitgeist: Die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Wir leben in einer Zeit von Storytelling, Authentizität und dokumentarischer Bildsprache. Weitwinkel unterstützt genau das – es reißt die Wand zwischen Fotograf*in und Motiv ein.

  2. Technischer Fortschritt: Moderne Weitwinkelobjektive wie das Sony 24mm f1.4 GM oder das Sigma 35mm f1.4 DG DN sind optisch so gut korrigiert, dass man sich keine Sorgen mehr über übermäßige Verzeichnung machen muss – bei offener Blende ist das Bokeh weich und die Abbildungsleistung gestochen scharf.

  3. Soziale Medien & Nähe: Viele Fotograf*innen wollen heute eine visuelle Nähe erzeugen, die sich auf kleinen Screens genauso gut „anfühlt“ wie gedruckt – auch das fördert kürzere Brennweiten.

35mm f2

35mm f1.4

28mm f2

35mm f2

Klassische Porträtfotografie: Die Ära der 50mm und 85mm

Historisch gesehen waren 50mm und 85mm tatsächlich die Go-to-Objektive vieler legendärer Porträtfotografinnen und Portraitfotografen. Hier ein paar Beispiele:

  • Richard Avedon: Er arbeitete häufig mit einem 85mm Objektiv, besonders für seine ikonischen Studio-Porträts. Die Brennweite ermöglichte ihm, klassische Nähe zu schaffen, ohne zu verzerren.

  • Steve McCurry: Der Magnum-Fotograf ist berühmt für seine Arbeiten mit einer Nikon und dem 85mm – z. B. für das legendäre Porträt des „Afghan Girl“.

  • Annie Leibovitz: Auch sie nutzte über Jahrzehnte hinweg primär klassische Porträtbrennweiten wie 85mm – besonders bei ihren aufwendig inszenierten Editorial-Porträts.

Und heute?

Viele zeitgenössische Fotografinnen und Fotografen, besonders in der Hochzeits- und Lifestylefotografie, nutzen heute bevorzugt 35mm, 28mm oder gar 24mm:

  • Fer Juaristi (Wedding): Sehr dynamische Bildsprache mit 24mm–35mm, bewusst aus der Bewegung heraus fotografiert.

  • Peter McKinnon (Lifestyle & Portrait): 35mm ist seine "everything lens", wie er es selbst nennt.

  • Tyler Rye (Elopement Photography): Viel 24mm/35mm, weil der Kontext der Landschaft eine große Rolle spielt.

Ich finde das die klassische Bildsprache von 50mm/85mm zunehmend durch eine direktere, emotionalere Ästhetik ersetzt wird. Die Grenzen zwischen Porträt, Reportage und Editorial verwischen, und kürzere Brennweiten unterstützen genau das.

35mm f2

35mm 0,3 Sekunden


Der Einfluss der Street Photography auf unsere heutige Bildsprache

Ein wesentlicher Grund für den Wandel hin zu weitwinkligeren Brennweiten – nicht nur in der Porträtfotografie, sondern allgemein in der dokumentarischen und reportagestarken Bildästhetik liegt in der Prägung durch die klassische und moderne Street Photography. Die Nähe zum Geschehen, das ungestellte Moment, das Zusammenspiel von Mensch und Umgebung all das sind Prinzipien, die heute immer mehr auch in Hochzeitsreportagen oder redaktionellen Porträts auftauchen. Viele visuelle Codes, die wir heute auf Instagram oder in Magazinen sehen, gehen auf die Pionierarbeit einiger bedeutender Fotograf*innen zurück:

  • Henri Cartier-Bresson (50mm): Mit seiner Leica und dem legendären 50mm-Objektiv gilt er als Vater des „entscheidenden Moments“ („decisive moment“). Seine Bilder sind nie rein porträthaft, sondern zeigen Menschen im Kontext – mit Betonung auf Licht, Linien und Timing. Obwohl er häufig mit 50mm arbeitete, ist sein Einfluss auf die visuelle Nähe und Intimität, die heute durch 35mm oder 24mm entsteht, kaum zu überschätzen.

  • Joel Meyerowitz (35mm): Einer der ersten, der konsequent mit Farbe arbeitete und dabei das 35mm-Objektiv nutzte, um mitten im Leben zu stehen. Seine Bilder kombinieren komplexe Kompositionen mit ruhiger Beobachtung. Er steht für eine neue visuelle Offenheit, für Ordnung im Chaos und für eine Street Photography, die sowohl intuitiv als auch durchdacht ist.

  • Vivian Maier (35mm): Ihre Rolle als unentdeckte Chronistin des Alltags wurde erst posthum gewürdigt. Sie arbeitete mit einer Rolleiflex (Mittelformat, eher klassische Bildwirkung), aber ihre Nähe zu Menschen und ihre Perspektive aus der Hüfte wirken unglaublich modern. Ihre Arbeit zeigt eindrücklich, wie sehr Umgebung und Subjekt miteinander verbunden sind – ein zentrales Element in der heutigen Weitwinkelfotografie.

  • Robert Capa (35mm): Der Satz „If your pictures aren’t good enough, you’re not close enough“ stammt von ihm – und ist im Grunde das Credo der Weitwinkelfotografie. Capa arbeitete oft mit 35mm und ging mit der Kamera mitten ins Geschehen. Seine Kriegsfotografie zeigt, wie körperliche Nähe visuelle Dringlichkeit erzeugt – ein Prinzip, das viele heutige Fotograf*innen in zivileren Kontexten (Hochzeit, Reportage, Alltag) adaptieren.

  • Saul Leiter: Zwar ein Sonderfall, aber für die heutige Bildästhetik enorm prägend. Leiter arbeitete oft mit Teleobjektiven, aber seine Kompositionen – mit Reflektionen, Farbflächen, zerschnittenen Formen – prägen viele Instagram-Feeds bis heute. Er bewies, dass Street Photography auch leise und poetisch sein kann. Sein Einfluss auf den visuellen Mut zur Unvollständigkeit ist groß.

  • Alex Webb (28mm & 35mm): Meister des komplexen Weitwinkels. Seine Bilder zeigen mehrere Ebenen gleichzeitig – Farben, Licht, Körper, Bewegung. Seine Ästhetik ist chaotisch und präzise zugleich, voller Dynamik. Viele heutige Hochzeits und Eventfotografen/fotografinnen lassen sich bewusst oder unbewusst von seinem Stil beeinflussen.

  • Bruce Gilden (28mm & 35mm): Berüchtigt für seine radikale Nähe, oft mit Blitz und 28mm direkt ins Gesicht der Menschen. Seine Street Portraits sind konfrontativ, gnadenlos direkt. Auch wenn sein Stil polarisiert, zeigt er, wie Weitwinkel eine enorme Wucht entfalten kann. Gilden bringt einen Aspekt ins Spiel, der heute auch in sozialen Medien eine Rolle spielt: Authentizität, Direktheit, manchmal auch Provokation.

Viele Fotografinnen und Fotografen von heute arbeiten bewusst oder intuitiv, in dieser Tradition: Sie stehen in der Fußgängerzone mit einem Weitwinkel statt am Studioblitz mit einem Tele. Und das hinterlässt Spuren: auch in der Bildästhetik.

35mm f5.6

24mm f1.4

24mm f1.4

35mm f8

35mm f2.8

35mm f2.8

35mm f2

35mm f2.8

35mm f2

35mm f5.6

35mm f2

28mm f2

24mm f1.4

24mm f1.4

35mm f1.4


Nicht mehr nur ein Trend: Elopement Wedding Photography

Elopement Photography hat in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen. Nicht nur als Reaktion auf pandemiebedingte Einschränkungen, sondern als bewusste Entscheidung vieler Paare für ein intimes, persönliches und oft naturverbundenes Hochzeitserlebnis. Dabei geht es nicht mehr um große Bühnen oder aufwändige Inszenierungen, sondern um Authentizität, Spontaneität und Nähe. Sowohl emotional als auch physisch.

Dieser Wandel zeigt sich auch in der Bildsprache. Viele Elopement-Fotografinnen und Fotografen setzen gezielt auf Weitwinkelobjektive, wie 24mm oder 35mm, um nicht nur das Paar, sondern auch die Umgebung, das Licht und die Atmosphäre in die Erzählung einzubeziehen. Der enge Kontakt, das Gefühl des „Dabeiseins“ und das Erzählen in Kontexten statt in klassischen Portrait-Isolationen wird durch diese Brennweiten möglich.

Während früher 50mm oder 85mm als Standard für Hochzeits- und Porträtfotografie galten, auch wegen ihrer schmeichelnden Perspektive und des beliebten Bokehs, hat sich die Elopement-Fotografie ganz bewusst von dieser Ästhetik entfernt. Statt weicher Hintergrundunschärfe geht es heute oft um raumgreifende Bildkompositionen, expressive Lichtstimmungen und dynamisches Storytelling. Fotografinnen wie The Foxes, Breeanna Lasher oder Daniela Vallant zeigen eindrücklich, wie kraftvoll diese neue Weitwinkelästhetik sein kann.

Auch ich merke, wie sehr mich dieser Stil inspiriert. Die Nähe, die ich mit 24mm oder 35mm in Porträts herstellen kann, das Gefühl direkt dabei zu sein passt perfekt zu einer intimen Erzählweise, wie sie die Elopement-Fotografie heute verkörpert.


Weitwinkel & Social Media: Eine neue Bildsprache

Instagram, TikTok & Co. haben den Wunsch nach Echtheit, Nähe und Storytelling beschleunigt. Die visuelle Ästhetik der sozialen Medien ist geprägt von Schnelligkeit, Präsenz und unmittelbarer Emotionalität – und genau das liefern 24mm und 35mm auf der Kameraebene. Der „saubere“, weichgezeichnete 85mm-Look wirkt im Feed oft zu inszeniert, zu glatt – während ein leicht verzerrtes, offenes 35mm-Bild mit echter Interaktion oder spontaner Geste mehr erzählt und näher wirkt.

35mm F1.4

35mm F8

24mm f1.4

24mm f1.4

24mm f1.4

24mm f2.8

24mm F1.4

24mm F1.4

24mm f1.4

24mm f8

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24mm f1.4

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24mm f1.4

24mm f1.4


Ein neuer Standard

Natürlich haben 50mm und 85mm ihre Berechtigung. Gerade wenn es um klassische Beauty-Porträts oder Headshots geht, sind sie oft die bessere Wahl. Aber sie schaffen eben auch Distanz – räumlich wie emotional. Wer sich nach einer moderneren, dokumentarischeren Ästhetik sehnt, sollte die weitwinkligeren Alternativen nicht scheuen.

Ich empfinde 24mm und 35mm längst nicht mehr als „ungewöhnlich“ für Porträts, sie sind mein neuer Standard. Sie ermöglichen eine Bildsprache, die näher, mutiger und erzählerischer ist. Sie zeigen nicht nur, wie jemand aussieht, sondern auch, wo er ist, was ihn umgibt, was er fühlt.

Und genau das macht für mich heute ein gutes Porträt aus.

Die heutige Bildästhetik liebt das Unmittelbare. Und genau das liefern 24mm und 35mm – nicht glatt, sondern echt. Nicht distanziert, sondern mittendrin. Vielleicht ist das keine Revolution, aber definitiv ein leiser, stetiger Wandel in der Art, wie wir Menschen fotografieren.

Brennweite: 135mm. Man sieht die Distanz

Näher dran: mit 35mm wirkt die Person näher und greifbarer


Noch ein Schritt weiter: Erste Experimente mit 14mm

Ganz neu wage ich mich gerade noch weiter in den Weitwinkelbereich vor. Seit Kurzem sammle ich erste Erfahrungen mit dem Sony 14mm f1.8 GM, ein echtes Spezialobjektiv, das sowohl technisch als auch gestalterisch neue Herausforderungen mit sich bringt. Die Möglichkeiten, die sich damit eröffnen, sind enorm, aber sie brauchen Zeit. Zeit für Experimente, für das richtige Motiv, für den richtigen Moment. Ich bin gespannt, wohin diese Reise führt. Später im Jahr werde ich einen eigenen Blogpost dazu schreiben, über Perspektivverzerrung, kreative Freiheit und die Frage, wie weit man beim Porträt eigentlich gehen kann. Das wird spannend!


Literatur zum Thema

Brennweiten & Bildgestaltung

  • Michael Freeman: Der fotografische Blick
    Klassiker über Bildkomposition, Perspektive und visuelle Sprache – hilfreich für das Verständnis, wie Weitwinkel Bildinhalte beeinflusst.

  • Andreas Jorns: Weite Nähe. Menschen fotografieren
    Reflexionen über Nähe in der Porträtfotografie – besonders spannend im Kontext zu kürzeren Brennweiten.

  • David duChemin: Within the Frame
    Fokus auf Storytelling, Kontext und bewusste Gestaltung – perfekt für Fotograf:innen, die mehr wollen als bloß ein schönes Porträt.

  • Chris Marquardt: Weitwinkelfotografie

    Mit informativen Texten undpassenden Fotos zeigt der Autor die Vorzüge und Tücken der Weitwinkelfotografie. Dabei geht es um technische Grundlagen, gestalterische Richtlinien und um die Genres, in denen der weite Winkel gewinnbringend eingesetzt werden können.

Porträt- und Street Photography

  • Bruce Gilden: Facing New York
    Extrem nah dran, fast schon konfrontativ – ein Lehrstück in mutiger Bildsprache, meist mit Weitwinkel.

  • Joel Meyerowitz: How I Make Photographs
    Persönlicher Einblick in Meyerowitz’ Umgang mit Licht, Farbe und Brennweiten – sehr zugänglich.

  • Henri Cartier-Bresson: The Mind’s Eye
    Essays über visuelles Denken, Timing und Komposition – besonders für den dokumentarischen Aspekt relevant.

  • Saul Leiter: Early Color
    Ein poetischer Zugang zur Street Photography mit 35mm – atmosphärisch und intuitiv.

Elopement & Hochzeitsfotografie

  • Jai Long: Six-Figure Business Map (Online-Kurs + Workbook)
    Auch wenn kein klassisches Buch, bietet er wertvolle Einblicke in den Stil, das Storytelling und das Business rund um Elopements.

  • Ben Hartley: Book More Weddings
    Praxisnahes Wissen zu Stilfindung, Marketing und authentischer Kundenansprache – auch interessant für Fotograf:innen mit eigenem Look.

Inspiration & Stilwandel

  • Teju Cole: Blind Spot
    Verbindet Fotografie und Text auf sehr persönliche Weise – perfekt, wenn du über deine eigene Ästhetik nachdenken willst.

  • Magnum Photos: Magnum Contact Sheets
    Einblick in den Auswahlprozess berühmter Fotograf:innen. Großartig für das Verständnis, wie sich Bildsprache entwickelt.

Portrait vor der Haustür

Manchmal entstehen die besten Bilder, wenn man sie am wenigsten erwartet.

Ich war gerade auf dem Heimweg, nur noch ein paar Meter von meiner Haustür entfernt, als ich ihn sah: einen Mann mit einem auffälligen Hut, gekleidet wie ein Freiheitskämpfer aus der Zeit Che Guevaras – mit Jacke, markanter Ausstrahlung und einem Bart, der sofort ins Auge fiel.

Instinktiv fuhr ich rechts ran, sprang aus dem Auto und lief ihm hinterher. Als ich ihn einholte, sprach ich ihn auf Englisch an – irgendwie fällt es mir leichter, Fremde in einer anderen Sprache anzusprechen, …auf Englisch.

Er war zunächst skeptisch, sah mich ein wenig ungläubig an. Doch dann zeigte ich ihm mein Leporello, in dem einige meiner besten Straßenporträts zu sehen sind. Ich erklärte ihm, wie spannend ich seine Erscheinung fand, den Hut, die Kleidung, sein ganzes Wesen.

Ein kurzer Moment der Stille, dann ein leichtes Nicken. Er willigte ein und ich durfte ein paar Fotos machen.

Die Zeit war knapp, ich wollte ihn nicht lange aufhalten. An meiner Kamera war das 135mm Objektiv montiert, also musste ich ein paar Schritte zurücktreten, um den richtigen Abstand für das Porträt zu bekommen.

Er trug eine Jacke, auf der ein kleiner Aufdruck wie ein Namensschild zu sehen war: „Jah Love“ stand darauf. Dieser Schriftzug stammt aus der Rastafari-Kultur und bedeutet so viel wie „Gottes Liebe“. „Jah“ ist die Kurzform von „Jahweh“, dem biblischen Namen für Gott. „Jah Love“ steht für eine spirituelle Lebenshaltung: für Respekt, Mitgefühl, und eine tiefe Verbundenheit mit allem Leben. Diese Botschaft passte perfekt zu seiner Erscheinung. Wie ein stilles Statement, das seine Ausstrahlung noch verstärkte.

Das ganze ist jetzt ungefähr einen Monat her. Ich habe diesen Mann seitdem nie wieder gesehen. Er hat sich leider nicht bei mir gemeldet. Für den Fall, dass ich ihm noch einmal begegne, habe ich ein gedrucktes Bild von ihm immer in meiner Fototasche dabei.

Manchmal genügt ein einziger Moment. Direkt vor der eigenen Haustür. Und manchmal hofft man, dass dieser Moment irgendwann eine Fortsetzung findet.

...mal wieder in Wetzlar #3

Etwa 4 Jahre ist es her, dass wir das letzte Mal hier zu Besuch waren. Das Hauptquartier des deutschen Traditionsherstellers aus Hessen, der sogenannten LEICA-Welt, mit seinen Galerien, führungen durch Ausstellungen, den Stores usw. zog uns mal wieder in seinen Bann.

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Ein magischer Abend unter Polarlichtern

Normalerweise verbindet man Polarlichter mit den nördlichen Regionen der Erde, doch an diesem besonderen Abend war alles anders. In unseren Breitengraden, in der Mitte Deutschlands, ist es extrem selten dieses Naturphänomen zu erleben. Dass ich überhaupt losgezogen bin, habe ich Michael Paech (Link zu Instagram), einem befreundeten Fotografen zu verdanken, der mich überreden konnte, mitzukommen. Ehrlich gesagt: Anfangs hatte ich überhaupt keine Lust. Die Vorstellung von einer kalten Nacht unter freiem Himmel war so verlockend wie eine kalte Dusche im Winter – und das freiwillig. Zumal ich am nächsten Morgen Frühschicht hatte…Im Nachhinein war ich jedoch mehr als froh, meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben.

Polarlichtjägerinnen und Sternenfotografie

Vor Ort waren Micha und ich ich nicht allein. Am See wartete bereits Constanze Kempa (Link zu Flickr) auf uns, eine Natur-, Landschafts,- & Polarlichtfotografin. Es war faszinierend, wie viel sie über dieses natürliche Lichtspiel erzählen konnten. Ihre Leidenschaft und ihr Wissen steckten mich an, und ich begann, das ganze Erlebnis mit anderen Augen zu sehen. Polarlichter entstehen, wenn geladene Teilchen der Sonne auf die Erdatmosphäre treffen und diese zum Leuchten bringen. Was normalerweise unsichtbar bleibt, zeigt sich in diesen seltenen Momenten in grünen und violetten Schleiern. Als wir unsere Stative auf einem kleinen Steg aufbauten, gesellte sich eine weitere Fotografin zu uns. Rebekka Lorz (Link zu Instagram) wusste auch sehr viel über Polarlichter und machte diese Nacht alle Bilder mit ihrem Smartphone.

Ein See als perfekte Kulisse

Der See war perfekt, weil wir die Polarlichter nicht nur am Himmel, sondern auch als Spiegelung im Wasser festhalten wollten. Eine wirklich magische Kulisse, die für noch intensivere Bilder sorgen sollte. Die Wasseroberfläche war nahezu glatt, sodass die Reflexionen der grünen und violetten Lichter wie ein zweiter Himmel wirken sollten, so war der Plan. Allerdings ging der nicht so auf wie ich es mir erhofft hatte, denn die Spiegelung kam nicht so gut rüber wie geplant. Dennoch war ich bereits am Anfang sehr beeindruckt von den tollen Farben am Himmel.

Polarlichter mit bloßem Auge sichtbar

Am meisten erstaunt war ich jedoch darüber, dass die Polarlichter mit bloßem Auge sichtbar waren. Ich hatte immer gedacht, sie seien nur auf Kameradisplays wirklich zu erkennen. Doch an diesem Abend tanzten die Lichter klar und deutlich vor uns über den Himmel. Ein Moment, der sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt hat.


Timelapse

Irgendwann kam ich auf die Idee, ein Video des Naturschauspiels zu machen. Da ich sowas noch nie vorher gemacht hatte, wusste ich anfangs nicht wie ich das anstellen soll. Allerdings ist die Bedienung der kleinen Sony A7cii nahezu selbsterklärend. Für Timelapsevideos gibts nen extra Schalter: Jetzt nur noch übers Display die Auslösezeit der jeweiligen Bilder einstellen. Fertig. Total Easy!

Polarlichter Timelapse

Fazit: Ein Abend, der bleibt

Manchmal muss man sich einfach überwinden, um besondere Erlebnisse zu sammeln. Hätte Micha nicht so beharrlich überredet, wäre mir dieses Naturwunder entgangen. Polarlichter in unseren Breitengraden zu erleben und zu fotografieren – das war wirklich einzigartig. Dieser Abend hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Kamera zu packen, rauszugehen und der Natur zu vertrauen. Sie hält die schönsten Überraschungen bereit. Und ja, ein bisschen Zähneklappern gehört manchmal einfach dazu.

Ein besonderer Dank geht an Constanze für ihre vielen Tipps rund um das Fotografieren dieses Naturschauspiels. Ich freue mich schon jetzt auf ein weiteres Treffen. Vielleicht ja beim nächsten Kälteabenteuer – mit Thermoskanne und doppelt so vielen Socken.

Ein Bild mit rotem Nachthimmel

Ein besonderer Dank geht an Constanze, nicht nur für dieses Bild, sondern auch für ihre vielen Tipps rund um das Fotografieren dieses Naturschauspiels. Ich freue mich schon jetzt auf ein weiteres Treffen. Vielleicht ja beim nächsten Kälteabenteuer – mit Thermoskanne und doppelt so vielen Socken.


Hier ein paar Bilder der anderen aus der Gruppe:

Lichter im Nebelmeer: Die Stadt bei Nacht

Es ist eine dieser Nächte, die einen besonderen Zauber versprühen. Der Nebel hängt dicht über den Straßen, und die Lichter der Stadt verschwimmen in einem mystischen Schleier. Genau auf diesen Moment habe ich gewartet, um die geheimnisvolle Atmosphäre einzufangen. Ausgestattet mit der zwei Objektiven – einem 135mm für dichte, konzentrierte Ausschnitte und einem 16mm für effektvolle Langzeitbelichtungen – mache ich mich auf, durch die Stadt zu streifen.

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Über den Dächern der Stadt: Das Taubenhaus in Weimar-Nord

Lesezeit: ca. 12 Minuten

In Weimar-Nord steht ein bemerkenswertes Projekt, das sich den oft missverstandenen Stadtbewohnern widmet: den Stadttauben. Am Taubenhaus kümmert sich ein engagiertes Team der Stadttaubenhilfe Weimar um die Tiere, die zwar zum Stadtbild gehören, aber oft als Störfaktor und Krankheitsüberträger verkannt werden. Melissa Böhme, Vorstandsmitglied der Stadttaubenhilfe Weimar, erzählt im Interview über die Aufgaben und Herausforderungen ihrer Arbeit, den Nutzen des Taubenhauses und die Wünsche für die Zukunft des Projekts.

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Das Taubenhaus wird mehrmals pro Woche  von einem sogenannten „Taubenwart“ betreut. Dieser kümmert sich um die Versorgung und Pflege der Tiere und stellt sicher, dass die Umgebung sauber und die Tauben gesund bleiben. Böhme erklärt: „Im Taubenhaus werden die Futterrinnen und Wasserglocken regelmäßig aufgefüllt, die Nistzellen gesäubert und gelegte Eier gegen Attrappen ausgetauscht.“ Der Eiertaustausch ist eine wesentliche Maßnahme, um die Taubenpopulation zu kontrollieren, ohne die Tiere zu gefährden. Durch diesen artgerechten Eingriff kann das Stadtleben für alle Beteiligten harmonischer gestaltet werden, indem das unkontrollierte Nisten und Brüten eingeschränkt wird.

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Das Taubenhaus selbst bietet den Tieren Schutz und Nahrung, sodass sie nicht gezwungen sind, auf Balkonen, Dachrinnen und in Innenhöfen Unterschlupf zu suchen. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass die Belästigung und Verschmutzung in diesen Bereichen verringert wird. In Weimar gibt es derzeit drei solcher Taubenhäuser – eines in Weimar-Nord, eines am „mon ami“ und eines in Weimar-West. Das Konzept eines Taubenhauses mag für Außenstehende vielleicht ungewöhnlich wirken, aber es hat viele Vorteile. „Durch das Taubenhaus können wir die Tauben aus den Wohnbereichen in ein kontrolliertes Umfeld bringen,“ erläutert Böhme. Die Tiere erhalten hier ein sicheres Zuhause und die Möglichkeit, sich artgerecht aufzuhalten, während ihre Population kontrolliert wird. Ein Taubenhaus lenkt die Tauben an einen festen Ort und beugt so vor, dass sie unkontrolliert auf Balkonen oder in Innenhöfen nisten.

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Zusätzlich erlaubt die zentrale Versorgung, die Gesundheit der Tiere besser im Blick zu behalten. Wenn eine Taube krank ist oder eine Verletzung hat, kann sie schnell behandelt werden. „Viele Menschen denken, Tauben übertragen Krankheiten, aber das ist ein Irrglaube. Tauben verbreiten nicht mehr Krankheiten als streunende Katzen oder andere Wildvögel“, klärt Böhme auf. Böhme selbst kam zur Stadttaubenhilfe, als sie eine verletzte Taube fand und sich fragte, wie sie dem Tier helfen könnte. Nach einer Recherche fand sie die Stadttaubenhilfe Weimar und entschied sich, ehrenamtlich beizutreten. „Ich merkte schnell, wie wichtig die Arbeit der Stadttaubenhilfe ist und dass dringend Hilfe gebraucht wird“, sagt sie. Ehrenamtliches Engagement bildet das Rückgrat des Projekts, denn ohne die Zeit und Mühe der freiwilligen Helfer wäre die Versorgung der Tiere nicht möglich. Das Engagement bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Helfern“, so Böhme. „Gerade weil es sich um ein Ehrenamt handelt, haben alle nur begrenzt Zeit, und zusätzliche Unterstützung ist immer willkommen.“

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Neben der regelmäßigen Betreuung der Taubenhäuser übernimmt das Team der Stadttaubenhilfe auch Einsätze in der Stadt: „Wir bekommen oft Anrufe von Anwohnern, die Taubennester auf ihren Balkonen oder in Innenhöfen melden. Dann versuchen wir, die Eier gegen künstliche Attrappen auszutauschen, um eine übermäßige Population zu verhindern,“ erklärt Böhme. In der Arbeit mit den Tauben entwickeln die Helfer oft eine enge Bindung zu den Tieren, und jede Taube hat ihre eigene Geschichte. So erzählt Böhme von „Elektra“, einer Taube, die über Monate hinweg am Weimarer Bahnhof beobachtet wurde und immer wieder humpelnd gesehen wurde. Trotz vieler Versuche gelang es dem Team lange nicht, das Tier einzufangen, bis es schließlich am Tag der Landtagswahlen durch Zufall glückte. „Wir nannten sie Elektra, weil es am Wahltag war“, erinnert sich Böhme. Aufgrund ihrer Verletzungen musste Elektra operiert werden, und heute lebt sie in der „Handicap-Voliere“ der Stadttaubenhilfe, wo sie ihren Lebensabend in sicherer Umgebung verbringen kann.

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Für die Zukunft wünscht sich die Stadttaubenhilfe Weimar einen weiteren Taubenschlag in Weimar-Nord. „Wir merken, wie gut das Konzept funktioniert und wie positiv sich das Taubenhaus auf den Stadtteil auswirkt. Mit einem weiteren Taubenhaus könnten wir noch mehr Tauben betreuen und den Menschen helfen, die unter den Verschmutzungen leiden,“ sagt Böhme. Neben dem Platz für ein weiteres Taubenhaus ist die Organisation dringend auf Spenden angewiesen, um die Versorgung der Tauben zu finanzieren. „Wir haben eine Amazon-Wunschliste, aber auch Geldspenden sind willkommen, da wir uns ausschließlich über Spenden finanzieren,“ erklärt Böhme. Die Stiftung Wohnen Plus , auf deren Gebäude der Taubencontainer Steht, unterstützt das Projekt in Weimar-Nord finanziell und Logistisch, betont Böhme.

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Die Flugklappe bei einem Taubenhaus dient dazu, den Tauben kontrollierten Zugang zum Taubenhaus zu ermöglichen und den Raum zu schützen. Sie funktioniert wie eine Art „Einbahnstraße“: Die Tauben können ins Taubenhaus hineinfliegen, aber die Klappe verhindert, dass Fressfeinde, wie Greifvögel oder Ratten, Zugang erhalten.

Eine Flugklappe hilft zudem bei der gezielten Populationsteuerung. Zum Beispiel können Helfer durch temporäres Schließen der Klappe verhindern, dass neue Tauben in das Haus einziehen oder die bereits vorhandenen Tauben herausfliegen. Besonders bei Neuzugängen kann es sinnvoll sein, die Flugklappe geschlossen zu halten, bis die Tiere sich an das neue Umfeld gewöhnt haben.

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Die Arbeit der Stadttaubenhilfe Weimar zeigt, wie viel Engagement und Fürsorge das Leben in einer Stadt bereichern können. Durch den Einsatz des Teams haben die Stadttauben nicht nur einen sicheren Ort, sondern auch die Bewohner Weimars profitieren von weniger Verschmutzungen und einer besser kontrollierten Taubenpopulation. Das Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus Tierliebe und Ehrenamt etwas Sinnvolles entsteht, das das Stadtbild prägt und das Leben in Weimar noch lebenswerter macht.

 

Für die Bilder kam die Sony A7cII und die A9 zum Einsatz. Objektive: Viltrox 16mm f1.8 & Sony 24mm F1.4GM

 

Unterstützung für die Stadttaubenhilfe: (LINKTREE)


Ich bedanke mich nochmals bei Frau Böhme dafür, das sie sich die Zeit für das Interview genommen hat. Ein Auszug dieses Interviews wird in der Ausgabe 3/2024 des NordMAGAZIN erscheinen.


Tauben als Symbol

Taubenportraits


54 Stunden Zürich

Dieses Wochenende war ein intensives Erlebnis für mich und meine Freunde. Drei Tage in Zürich, von Freitag bis Sonntag, die Stadt erkunden, ihre interessanten Ecken und spontanen Momente festhalten. Das war unser Ziel.

Die Zugfahrt Erfurt/Züring war quälend lang. inklusive Verspätung dauerte es fast 9 Stunden, bis ich am Ziel ankam. Das Herz was auf der Fensterscheibe meines Sitzplatzes aufgemalt war bemerkte ich erst, als es gegen 06:00 Uhr heller wurde. Es symbolisiert sehr gut die Vorfreude auf dieses Wochenende.

Das erste Portrait

Ich traf mit circa einer Stunde Verspätung gegen 10:30 Uhr in Zürich ein. Renato und Jens warteten schon auf mich. Da es noch so früh am Tag war, und wir weder ins Hotel einchecken wollten, noch konnten, verstauten wir in einer der vielen Gepäckfächer unsere Taschen und Koffer und machten uns mit der Kamera in der Hand in Richtung Hauptausgang des Bahnhofs. Dort angekommen hatte ich meine erste Begegnung des Kurztrips, mit einem sehr netten Touristen aus Indien. Er fragte mich, ob ich von ihm ein Bild vor der Kulisse des Bahnhofsgebäudes machen würde. Natürlich fragte ich ihn auch gleich, ob ich von ihm ein Portrait machen darf. 

Ranjid, Tourist aus Indien

Die Universität

Eines unserer ersten Ziele sollte das Uni-Gebäude mit seiner spektakulären Innenarchitektur sein. Vorbei an vielen Einkaufsstraßen sehr Exquisiten und teuren Geschäften und einigen Absperrungen durch die gerade stattfindende Rad-WM, kamen wir nach 1-2 Stunden hier an. Von Innen bot das Gebäude eine Kulisse, wie man sie vielleicht vom Pergamon-Museum in Berlin kennt, und nicht in einer Uni vermuten würde. Beeindruckend.

Bibiliothek

Die Universitätsbibliothek beeindruckt mit ihrer markanten spiralförmigen Architektur. Glas, Stahl und helles Holz schaffen einen modernen, lichtdurchfluteten Raum. Die offene, zylindrische Struktur vermittelt ein Gefühl von Ordnung und Klarheit, das perfekt zur ruhigen Lernatmosphäre passt.

Nur ein Bild

Am nächsten, trüben und verregneten Tag konnte ich nur eingeschränkt fotografieren, da ich mir den Fuß verstaucht hatte. Mega ärgerlich! Ich hoffte das ich am Sonntag wieder Fit sein werde, und vor allem auf besseres Wetter.

Am  Flughafen, in der nähe von "THE CIRCLE" traf ich auf dieses riesige Wandgemälde. Im richtigen Moment tauchte dieses kleine Mädchen auf.

Die letzten Stunden

Das Wetter war am Sonntag dann tatsächlich sehr viel Besser, und mein verstauchter Fuß schmerzte etwas weniger. Das viele Kühlen hatte was gebracht. Am Morgen trafen wir auf Samuel und  gingen erstmal in ein Cafe um unsere mitgebrachten, gedruckten  Bilder auszutauschen. Danach zogen wir jeder für sich los, um für wenige Stunden die Stadt zu erkunden. Bis zur Rückreise konnte ich noch einige Bilder in der Stadt machen.

Ein letztes Bild aus dem Bahnhof in Richtung der bekannten Züricher Einkaufstraße. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber durch einen Zugausfall musste ich bereits fast 6 Stunden früher abreisen.

Auch wenn die Ausbeute an Bildern an diesem Wochenende eher gering war, hatte ich doch wirklich sehr viel Spaß in Zürich. Nicht zuletzt durch die Fotofreunde Renato und Jens, und später dann auch Samuel. Wir konnten uns alle sehr gut auf das Thema Streetphotography fokussieren und haben nicht nur über dieses Thema intensiv Erfahrungen austauschen können. Mit seiner Mischung aus urbanem Flair und historischen Elementen bietet die Stadt eine tolle Kulisse für Straßenfotografie. Zürich überraschte mich vor allem  mit der modischen Vielfalt und den ausgefallenen Kleidungsstilen seiner Menschen. Es war, als ob die Straßen der Stadt ein permanenter Laufsteg wären. Eines ist sicher: irgendwann komme ich hierhin zurück.

Friends


Galerie


Musik ist der Schlüssel

Lesezeit: circa 6 Minuten

Am 11. August 2024, dem Jahrestag der Weimarer Verfassung, fand in Weimar eine Tanzveranstaltung auf dem Theaterplatz statt, die nicht nur an die historischen Ursprünge dieses Tages erinnerte, sondern auch  die Verbindung verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen in den Mittelpunkt stellte. Der Tanz, wie schon in den Jahren 1919 und 1921, wurde für alle anwesenden zu einem verbindenden Symbol für das Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft.

Im Zentrum der Veranstaltung stand die Idee, dass Demokratie nicht nur ein politisches Konstrukt ist, sondern vor allem im Zusammenleben der Menschen zum Ausdruck kommt. Musik und Tanz fungierten als verbindendes Element, das die Teilnehmer unabhängig von ihren Unterschieden in einem kollektiven Erlebnis vereinte. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen und politische Polarisierung oft im Vordergrund stehen, setzte diese Veranstaltung ein Zeichen für das gemeinsame Erleben und die Kraft der Gemeinschaft.

Im Vorfeld der letzten Landtagswahl hatte es in Weimar bereits zahlreiche Initiativen und Events gegeben, die von der Zivilgesellschaft organisiert wurden, um klarzumachen: Es geht darum, gemeinsam für ein „Miteinander“ einzutreten, statt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Die Tanzveranstaltung am Verfassungstag war Teil dieser Bewegung. Sie brachte Menschen zusammen, die unterschiedlicher kaum sein konnten, aber alle die gleichen Werte von Freiheit und Demokratie teilten.


Lina Liberta

Sie ist eine erfahrene Moderatorin, die in der deutschen Medienlandschaft für ihre charismatische und professionelle Art bekannt ist. Sie Leitete die Veranstaltung und motivierte viele Zuschauer, die am Rande der Veranstaltung vorbeiliefen dazu mitzumachen und zu Tanzen.


Musik und Tanz, als universelle Ausdrucksformen, haben die bemerkenswerte Fähigkeit, die Grenzen von Herkunft, Alter und Weltanschauung zu überwinden. Die Vielfalt der Musikstile, die von der bekannten Weimarer Streetworkerin und DJ "SCHUCHI” gespielt wurden reichten von klassisch über traditionell bis modern schuf an diesem Abend eine offene und elektrisierende Atmosphäre.

Musik beeinflusst nachweislich die Stimmung der Menschen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Emotionen. Studien zeigen, dass rhythmische Klänge und gemeinschaftliche Bewegungen Endorphine freisetzen, die Freude und Glück erzeugen. In solchen intensiven Momenten erleben die Teilnehmer eine art kollektive Ekstase und entwickeln physische Verbindungen, die Vertrauen und Empathie fördern.

Die körperlichen Ausdrucksformen, die durch die Musik geschaffen werden, überbrücken kulturelle Unterschiede und lenken die Aufmerksamkeit auf das Gemeinsame. Diese gemeinschaftlichen Erfahrungen helfen uns Menschen, sich in einer gemeinsamen Identität zusammenzufinden, was Isolation und Entfremdung verringern kann. In Zeiten gesellschaftlicher Spannungen sendet dies ein starkes Signal für Zusammenhalt und Gemeinschaft.

So wurden das Tanzfest zu einem tiefgründigen Symbol für das, was die Demokratie zusammenhält: Vielfalt und den Willen, in einen Dialog zu treten, anstatt sich gegeneinander auszuspielen. In dieser besonderen Atmosphäre, des gemeinsamen Feierns, wurde die politische Idee einer demokratischen Gesellschaft nicht nur theoretisch, sondern als emotionales und erlebbares Gefühl des Miteinanders greifbar.

In einer Stadt, die so viel Geschichte in sich trägt, wurde an diesem Tag deutlich, wie kraftvoll und verbindend gemeinsames Erleben in einer Gesellschaft sein kann. Ich war noch Tage danach tief Bewegt von diesem Ereignis. Selbst jetzt, beim verfassen dieses Blogposts, einige Wochen später muss ich immernoch an diese intensiven Momente denken. Ich wünschte das noch mehr Menschen das gleiche fühlen könnten was ich in diesen Stunden erlebt habe. Die Energie, das Lachen und die Freude der Menschen, die zusammenkamen, um zu feiern und sich auszutauschen, haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Diese Momente sind es, die im Leben zählen und die uns manchmal auch unsere Sorgen, Ängste und Probleme neu sortieren lassen.

Die Straßen von Weimar erzählten an diesem Tag eine Geschichte, die weit über die Grenzen der Stadt hinausreicht. Es ist die Geschichte von uns allen, die in dieser Welt nach einem Platz suchen, an dem wir gehört und respektiert werden. Dieser Platz ist dort, wo wir einander mit offenen Herzen begegnen.

Catwalk an der Bushaltestelle

Ich war gerade mit dem Auto auf dem Weg in den Garten, als mir eine Gruppe außergewöhnlich gekleideter Menschen ins Auge fiel. Sie standen an einer Bushaltestelle und fotografierten sich gegenseitig mit ihren Smartphones. Ohne lange zu überlegen, fuhr ich rechts ran und griff nach meiner Kamera, die ich glücklicherweise dabei hatte. Solche spontanen Begegnungen sind das Herzstück in der Street Photography, und diese besondere Szene wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

In unserem Stadtteil sieht man solche außergewöhnlich gekleideten Menschen selten, was die Begegnung umso spannender machte.

Als ich mich der Gruppe näherte, sprach ich sie auf Englisch an und fragte begeistert, ob ich ein paar Fotos von ihnen machen dürfe. Doch sie schienen mich nicht zu verstehen. Eine Frau in der Gruppe lächelte und sagte zu mir: "Sie sprechen kein Englisch, sie kommen aus Paris. Aber sie verstehen ein wenig Deutsch."

Erleichtert erklärte ich ihnen kurz auf Deutsch, wer ich bin und was ich mache. Dabei drückte ich so gut es ging meine Begeisterung für ihre farbenfrohe Kleidung und ihren einzigartigen Stil aus und erklärte kurz wie sie sich positionieren sollten. Die Gruppe war sofort einverstanden und stellte sich in verschiedenen Posen auf.

Nachdem ich einige Fotos gemacht hatte, bedankte ich mich herzlich bei ihnen. Ich gab ihnen ein Leparello von mir und verabschiedete mich. Ein paar Tage später meldeten sie sich bei mir, und ich schickte Ihnen die Bilder. Dieses kurze, aber besondere Erlebnis erinnerte mich einmal mehr daran, warum ich Street Photography so liebe: die unerwarteten Begegnungen und die Möglichkeit, besondere Momente festzuhalten.